2002 · Auferstehungskapelle Sexten

Auferstehungskapelle Sexten
46°42’10.991 “N 12°21’1.799″E

FRESKO 5,2 x 10 m

Auferstehungskapelle Sexten/Südtirol: Armin Guerino/Hermann Josef Repplinger

Architektur: Johannes Watschinger/Armin Guerino
Freskomalerei und künstlerisches Gesamtkonzept: Armin Guerino
Ausgeführt in den Jahren 2001 – 2003
Einweihung: Sonntag, 4. Mai 2003

Die Gesamtanlage und deren geistige Dimensionen

Die neue Auferstehungskapelle an der westlichen Seite des Sextener Friedhofes bildet zugleich einen Ziel- und Ausgangspunkt für die gesamte Anlage, deren östlicher Eingang durch einen Rundbau mit den Totentanzfresken von Rudolf Stolz bestimmt ist. So verbinden sich die menschlichen Grundfragen nach Sinn und Bedeutung von Leben, Tod und Auferstehung im gesamten Bereich des Friedhofes miteinander und werden auf diese Weise immer wieder begeh- und erfahrbar. Die unterschiedlichen künstlerischen Werke wollen als Ruf- und Fragezeichen diesen Weg begleiten und zugleich die persönlichen Antworten auf diese menschlichen Grundfragen herausfordern.

Zum ikonographischen Programm in der Auferstehungskapelle

In der Auferstehungskapelle sind Architektur und künstlerische Gestaltung untrennbar miteinander verbunden. Im Zentrum steht das Auferstehungsthema, das alle anderen Aspekte und Perspektiven der künstlerischen Gestaltung bestimmt und in Bezug zueinander bringt.
Betritt man den Kapellenraum so fällt der Blick auf eine große Bruchglaswand welche die gesamte Nordwand bildet und – einem Kristall gleich – das Tageslicht in den unterirdischen Raum strömen lässt. Vor der Bruchglaswand ist in gleicher Ebene wie der Boden über die gesamte Breite des Raumes ein Brunnen mit fließendem Wasser eingelassen, indem sich die große Bruchglaswand spiegelt.
Das Auferstehungsthema ist zunächst von der prospektiven Sicht her, das heißt aus dem Innersten der Auferstehungskapelle, augen- und sinnenfällig: durch das Durchschreiten und Überschreiten des Wassers (Brunnen, Meer, Rotes Meer, Jordan, Todesfluss) sowie durch den kristallinen Hintergrund (Bruchglaswand) als Bewegung vom Irdischen zum Überirdischen, zum Göttlichen.

Dem Bezug zur traditionsreichen Hausaufbahrung in der Gemeinde wurde im künstlerischen Gesamtkonzept in der Weise Rechnung getragen, dass die neue Auferstehungskapelle dem persönlichen und familiären Charakter der Hausaufbahrung Raum und Atmosphäre bietet und darüber hinaus ein würdiger Ort der Trauer und des Trostes für die Trauernden und die ganze Gemeinde werden soll.

In der Malerei auf der rechten Seite des Raumes setzt sich das Thema mit der großen Auferstehungsszene in einer horizontalen Darstellung (von links nach rechts gesehen) fort.

In der dreifach dimensionierten Christusdarstellung liegt das sichtbare Zentrum des Gesamtfreskos:

  • Der mit der ganzen Konzentration der Körperlichkeit ( = erste Dimension der Christusdarstellung: Jesus Christus als “Mensch im Übergang”) auferstehende Christus durch- und überschreitet das Menschliche auf das Göttliche, auf Gott hin.
  • Die Gestalt des Auferstandenen ( = zweite Dimension der Christusdarstellung: Christus als Sohn GOTTES) tritt im durchlichteten Blau des Kristalls hervor und korrespondiert ästhetisch mit der Bruchglaswand im Innersten der Auferstehungskapelle.
  • In der “Erscheinung” des auferstandenen und die Jünger und Jüngerinnen aus ihrer Angst erlösenden Gott-Menschen Jesus Christus tritt die dritte Dimension der Christusdarstellung hervor. Weiter unten wird dann noch deutlich werden, wie diese “Erscheinung” sich dann zur erlösenden und zum Glauben befreienden Begegnung einerseits zwischen dem Auferstandenen und einzelnen Jüngern und andererseits auch zwischen den Jüngerinnen und Jüngern unter- und miteinander entfalten wird.

Zum “Ort” der Auferstehung:

“Ort” (biblisch-hebräisch: hamma¯qôm) wird im nachexilischen und besonders dann im rabbinischen Judentum als indirekte Bezeichnung für GOTT gebraucht, dessen Namen aus Ehrerbietung nicht direkt in den Mund oder in die Hand genommen wird. “Ort” wird dabei nicht als festgestellter, festgelegter oder festzulegender Platz aufgefasst, sondern als Geschehen, Wirken, Wirklichkeit, Wirksamkeit.

Die Frage nach dem Ort der Auferstehung ist deshalb theologisch immer auch eine Fragen nach der Wirklichkeit Gottes selbst. “GOTT hat ihn auferweckt” – so betont und bekennt die Apostelgeschichte (Apg 2,24; 2,32; 3,15 ff.) unablässig.

Dieses “göttliche Milieu” ist im ikonographischen Programm der Fresken in der Auferstehungskapelle dargestellt als Wirkung und Bewegung. Der “Ort” der Auferstehung, der mit dem durchschreitenden verklärten Christus, dem Grab und dem Schweißtuch definiert ist, wird zunächst nach rechts erweitert mit einem rotem Feld, in dem Maria Magdalena, Zeugin der Auferstehung, mit ihren Tränen Christus die Füße wäscht und sie mit ihrem Haar trocknet. Der gesamte linke Teil kann als Kreuzform aufgefasst werden, in dessen Zentrum Christus aufersteht.

In Weiterführung dazu zeigt dann die rechte Seite der Malerei den (leeren!) Abendmahltisch. Nur an der Stelle vor dem Fenster, an der in historischen Malereien sonst Christus am Abendmahltisch dargestellt zu werden pflegt, strahlt ein Lichtfeld. Im Hintergrund sieht man Moses in seinem Korb am Nil treiben. Dieses “Binsenkästchen” sowie die anderen Darstellungen: der Abendmahltisch in Kastenform als Entsprechung zur (schutzbietenden) Arche Noah und die letzte und weltrettende Arche, die Stadt mit gleichen Maßen, das himmlische Jerusalem, bilden synchron ( = in der gleichzeitigen Zusammenschau) und diachron (im heilsgeschichtlichen Durchblick) betrachtet eine Einheit. Die zwölf Tore der Stadt, die für die zwölf Stämme Israels, aber auch für die zwölf Apostel stehen, sind streng geometrisch ins Bild gebracht. Die vier Seiten entsprechen den vier Evangelisten und die Verlängerung der Tore nach oben ergibt ein neunteiliges Feld, das unter anderem auch auf die 18 Gerechten (= 2 x 9; vgl. linke Bildseite) hinweist, die wiederum mit dem religiösen und weltliterarischen Motiv der 18 (18, 36, …144 …, auch die Quersumme jedes Vielfachen von 9 ergibt letztlich immer wieder 9!) Gerechten über dem Labyrinth auf der gegenüberliegenden Seite des Bildes korrespondieren. Diese “mehr als 9 Gerechten” gelten in der religiösen und weltliterarischen Tradition als unerkannte und anonyme “Hoffnungsträger”. Sie stehen “mitten in der Welt und dem Leben”, gleichsam wie Abraham, von dem gesagt wird: “qui contra spem in spem credidit” = “der gegen die vorgemachte Hoffnung an die wahre Hoffnung geglaubt hat” (Röm 4,18).

Der Abendmahltisch “schwimmt” in einem Labyrinth vor dem Paradies, welches als grüne Landschaft erscheint, die wie die Innenseite des Deckels eines Kastens ins Bild kommt und die an die Möglichkeit erinnern kann, dass das Paradies verschlossen werden könnte. Nach biblischer Tradition ging das Paradies ja auch durch eine pervertierte Mahlzeit (Essen der verbotenen Frucht) verloren. Im heiligen Abendmahl wird dieser Verlust “aufgehoben” in dreifachen Sinne, der sich im deutschen Sprachgebrauch widerspiegelt: im Liebes- und Abschiedsmahl Jesu wird der Verlust des Paradieses, das heißt auch der Verlust der ungebrochenen Gemeinschaft mit Gott, aufgehoben in Sinne von “beseitigen/aufheben/ = tollere” (durch das Liebesmahl), aufgehoben im Sinne von “bewahren/erhalten/ = conservare” (durch die mit dem Abschied verbundenen und mobilisierten Verlustängste der Jünger) und aufgehoben im Sinne von “hinaufheben/überwinden/erhöhen/ = sublimare” (durch die Verheißung der erlösenden und wieder mit Gott verbindenden Erfahrung dieser Mahlgemeinschaft “für viele”), vgl. Mk 14,24 f.
Die Umrisse der zwölf Jünger sind in die Landschaft eingeschrieben.

Das Abendmahl, das himmlische Jerusalem und das Paradies bilden in der Malerei eine verdichtete Realität (Masse), die sich auf die andere verdichtete Realität (Masse) der Auferstehung, mit Maria Magdalena im linken Teil des Bildes, zubewegt und so einen Zusammenhang zwischen beiden erzeugt und spannt. Zwischen diesen beiden großen verdichteten Realitäten (Massen) tritt von oben aus dem “unzugänglichen Licht” (durch die Architektur bestimmt) sich offenbarend Gottvater als vertikale Gestalt.

Im Bezug auf historische Darstellungen sieht man den heiligen Geist in Taubengestalt vom Paradies her ins Bild fliegen. Der auferstehende Christus schließt das Dreifaltigkeitsthema ab, das sich auch in der dreifachen Darstellung des auferstehenden Christus spiegelt.

In der schon oben genannten dritten Dimension der Christusdarstellung reicht der den Jüngern und Jüngerinnen erscheinende Gott-Mensch Jesus Christus die Hand mit dem Wundmal in die irdische Ebene des Bildes. Die “Erscheinung” des Auferstandenen wird so zur erlösenden und zum Glauben helfend-befreienden Erfahrung und Begegnung. Der heilige Thomas, durch ein Fenster distanziert, prüft die Wunde und wird wie Maria Magdalena Zeuge der Auferstehung. Maria Magdalena und der heilige Thomas korrespondieren in ihrer Komplementarität und jeweiligen Erlösungsbedürftigkeit. Auf der einen Seite steht Maria Magdalena als die stark gefühlsbetont Vorgehende, auf der anderen Seite der heilige Thomas als der Kritisch-Distanzierte. Das wird auch stark durch die warme Farbigkeit bei Maria Magdalena (rot) und die kühlere Farbigkeit beim hl. Thomas (blau) ins Bild gebracht.

Zwischen den genannten Hauptmassen befindet sich neben der Trinitätsdarstellung, dem hl. Thomas und Gottvater auch der Baum des Lebens. Damit soll darauf hingewiesen werden, dass es sich im Glauben an die Auferstehung um eine Form der Erkenntnis handelt, in der die paradiesische Sehnsucht nach der Frucht des “Baumes der Erkenntnis” erfüllt ist und wird im Baum des Lebens (welcher auf die Erlösung hinweist) durch das Kreuz und die Auferstehung Christi. Diese “heilsame Erkenntnis” als Begegnung im Heiligen Geist Gottes bleibt aber nicht auf das Privat-Persönliche beschränkt, sondern befreit, ermutigt, begeistert und bewegt zur Sendung, die den Glauben allen Menschen und Völkern verkündet.

Die persönliche Erfahrung der Maria Magdalena und des Thomas (vgl. Joh 20) steht somit nicht isoliert im Raum, sondern ist von ihrer Herkunft und von ihrer Zukunft her aus und offen auf die Gemeinschaft derer, die zum Glauben gerufen und eingeladen sind an Gott, der zum Leben, zur Auferstehung kommt und bringt. So begegnen Maria Magdalena und Thomas nicht nur dem Auferstandenen “von Angesicht zu Angesicht” in der oben dargelegten dreifachen Dimension der Christusdarstellung und Christuserfahrung, sondern sind auch den 18 Gerechten, die “hinter” dem Auferstandenen “stehen”, entfernter von Angesicht zu Angesicht zugewandt.

Von der Sprache des Bildes zur Sprache als Bild:

Die der Malerei gegenüberstehende Wand spricht in vier Sprachen: in Hebräisch, Griechisch, Lateinisch und Deutsch den Betrachtenden und Lesenden an der Botschaft einer gläubigen Frau an Pontius Pilatus im Matthäus-Evangelium (Mt 27,19b):

Hebräisch:

Griechsich:

Lateinisch: nihil tibi et iusto illi

Deutsch (Übers. Martin Luther): Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten

In einer anderen (wörtlicheren) Übersetzung heißt es:
Nichts (sei zwischen) Dir und jenem Gerechten (Münchner NT).
Diese Inschrift ist Teil des gesamten ikonographischen Programmes. Die Inschrift ist Provokaktion, Warnung und Ermutigung. Die Frau des Pontius Pilatus wollte diesen warnen, sich nicht an dem “Gerechten” Jesus Christus zu vergreifen. In dieser Inschrift wird der “Gerechte”, wie Jesus Christus genannt und bekannt wird, mit den “Gerechten” (vgl. dazu weiter oben) verbunden. Im 1. Petrusbrief (3,18) ist dies in einem frühen christlichen Bekenntniswort so zusammengefasst:
“Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen; dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht.”

Verschiedene Zugänge – Vielfalt der Einfachheit

In der Auferstehungskapelle gibt es also verschiedene Ebenen des Zuganges zur Malerei. Einerseits die, die aus dem ikonografischen Programm leicht les- und erkennbar sind, anderseits jene Schichten die eine gewisse Sehgeduld erfordern. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich Fragen, die in die Tiefe des Themas führen und Aufforderung sowie Begleitung zur Besinnung sind. Mit der Auferstehung beginnen (auch in der Bibel!) die Fragen nach Gott, an die Menschen, an die Geschichte, an jeden. Es sind heil-same Fragen, die nicht aufhören, sondern aufhorchen lassen und befreien zum Hören, Sehen,
Schauen, Gehen, Leben …

Weitere theologische und theologiegeschichtliche Hinweise zum Bildprogramm:

  • Bei der im Zentrum stehenden Auferstehungs-Darstellung ist besonders gut erkennbar die dynamische Entfaltung und Bewegung zwischen Körperlichkeit (körperliche Präsenz in Leibhaftigkeit) des Auferstandenen, verklärte Durchsichtigkeit des Leiblichen (geistige Transparenz in Kristallinität) und kommunikative Vermittlung (geistliche Kommunikation von Leiblichkeit und Transparenz: die ausgestreckte Hand).
  • Die miteinander und füreinander sich verwendenden Motive sind schon seit den Kirchenvätern und ihren theologischen Deutungen bekannt. Dazu ist besonders auf Hugo Rahners Werk: “Die Symbole der Kirche” hinzuweisen. Dadurch wird eine heilsgeschichtliche Perspektive sichtbar und wieder erfahrbar, die zu entwickeln und jeweils neu zu Bewusstsein zu bringen seit den Kirchenvätern zum theologischen Bemühen gehört und in der alles beieinander ist, da ist, ohne unterzugehen in seiner Gegenwärtigkeit. Die Vergangenheit und die Gegenwart haben also elementare Zukunftsqualität: vom Schöpfungsanfang und Paradies bis zur Neuen Schöpfung (vgl. z. B. dazu die Aussagen zum “neuen Himmel und zur neuen Erde” und dem “himmlischen Jerusalem” als deren Konkretisierung in der Offenbarung des Johannes).
  • Bei der Betrachtung des Bildprogramms ist zu berücksichtigen, dass augenfällige vordergründige Einsichtigkeit nicht eine Zeichen von künstlerischer Qualität sein muss. Selbst die augenfällige Konkretheit der Bildproduktionen von Rudolf Stolz (z.B. der Totentanz) in Sexten wäre zu abstrakt verstanden, wenn mit dieser Konkretheit es erleichtert scheinen könnte, das Nicht-so-leicht-Verständliche in diesem Totentanz wahrzunehmen. Der Totentanz von Rudolf Stolz bewahrt seine (nicht vordergründig zu beschwichtigende) Hintergründigkeit, weil der dargestellte Tod nicht zu erledigen ist in und mit keinem seiner Gegenüber: König, Bischof, Säugling, Jungfrau, Jungmann, …
  • Besonderes Augenmerk verdient die künstlerische Gestaltung der Mahlszenen: Glauben kommt wesentlich auch vom Essen, die österlichen Erzählungen der Evangelien lassen daran nicht den geringsten Zweifel. Das heilige Abendmahl ist die innere und äußere Aufhebung und Überwindung des pervertierten Essens der verbotenen Frucht, welches aus dem Motiv des Gott-spielen-Wollens geschehen ist (und auch heute immer noch geschieht).
  • Die Mahlszenen weisen auch hin auf das Totenmahl, welches ein kulturgeschichtliches und religiöses Grunddatum für die Trauerarbeit der hinterbliebenen Angehörigen ist. Auch die österliche Auferstehungsbotschaft geht vom Grabe aus, ohne dabei stehen zu bleiben. Vom Grab aus kommt alles in Bewegung, das Mahl der hinterbliebenen Angehörigen und Freunde des Toten wird auch zum Mahl mit dem Toten, für den die Auferstehung zum Leben erbeten, erhofft und geglaubt wird.
  • In diesen Mahlszenen wird deutlich, dass der Tod nicht das letzte Wort haben soll, sondern das Leben, das den Tod nicht verdrängt, das aber auch als Leben im Tod und nach dem Tod “gewandelt, nicht genommen wird” (vgl.: Totenpräfation in der Heiligen Messe für die Verstorbenen). Die Hoffnung auf Erlösung vom Tod erfüllt sich in der Verheißung und Teilnahme am himmlischen “Hochzeitsmahl”, von dem wiederum die Offenbarung des Johannes spricht und in dem die Schöpfung und deren Verkehrung (als Sich-Vergreifen an der verbotenen Frucht) aufgehoben werden und sind in eine neue Schöpfung, in der “kein Tod mehr sein wird”:
    “Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.” (Offb 21,4).

[© Textfassung vom 30.04.2003]

Mag. Armin GUERINO hat an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, lebt und arbeitet in Wien und auf Schloss Saager in Kärnten.
Weitere Informationen im Internet unter: www.guerino.at

Mag. Hermann Josef REPPLINGER ist Direktor des Theologischen Instituts in Klagenfurt, Rektor des Studentenhauses Concordia der Diözese Gurk, Pfarrseelvorsteher in der Künstlerpfarre Klein St. Paul in Kärnten. Er ist erreichbar unter der e-mail-Adresse:
theologisches.institut@kath-kirche-kaernten.at

Architekt Dr. Johannes Watschinger, Sexten: Die Auferstehungskapelle im Friedhof von Sexten

Wiederum redete nun Jesus zu Ihnen und sprach:
“Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, wird nimmermehr in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.”
(Joh. 8,12)

Der Bau der Auferstehungskapelle für den Friedhof in Sexten ist nun nach einigen Jahren der Planung, in denen mehrere Entwürfe mit verschiedenen Behörden und dem Denkmalamt abzustimmen waren, fertiggestellt.

Es galt einen geeigneten Raum für die Aufbahrung der Verstorbenen zu schaffen, der mit allen notwendigen Nebenräumen (Ossarium, WC-Anlage für die Friedhofsbesucher und Abstellräumen) ausgestattet sein und der besonderen Lage des Bauplatzes Rechnung tragen musste. Die Aufgabe bestand darin, den Angehörigen und der ganzen Gemeinde das Abschiednehmen von ihren Toten in einem würdigen Rahmen zu ermöglichen, aber auch offen zu sein für Nutzungen über die reine Aufbahrung hinaus, was schließlich in der Ausgestaltung als Kapelle zum Ausdruck kommt.

Die neue Kapelle liegt an der Nordwestseite des bestehenden Friedhofs auf einem sieben Meter breiten Grundstücksstreifen und bildet zusammen mit dem Totentanz-Aufgang an der Südostseite eine bauliche und thematische Klammer mit Friedhof und Pfarrkirche. Die gesamte Anlage der neuen Kapelle ist in nordöstlicher Richtung so in den Hang gelegt, dass kein Gebäudeteil die bestehende Friedhofsmauer überragt und an der Westseite des Friedhofs ein kleiner Vorplatz mit dem Nebeneingang entsteht.

Zwischen diesem Vorplatz und dem Friedhof wurde die Friedhofsmauer erneuert und so gestaltet, dass vier neue, gedeckte Arkaden untergebracht wurden, die durch freistehende Steinpfeiler gegliedert sind. Vom Vorplatz an der Außenseite der neuen Friedhofsmauer aus beginnen die Rampen zur behindertengerechten Erschließung der Mittelterrasse und der obersten Terrasse des Friedhofs.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema von Tod und Auferstehung, das der Bauaufgabe zu Grunde liegt, taucht der Gedanke an das Durchschreiten von Schwellen und Übergängen, an den Übertritt vom Diesseits zum Jenseits immer wieder auf. Das Umsetzen dieser Gedanken in die Architektur erfolgt durch die Wegführung zum und im Gebäude, die Abfolge der Räume und deren Ausgestaltung in Maß und Material. Ebenso sind diese Gedanken Thema im Beitrag der Kunst des Armin Guerino (vgl. eigener Text des Künstlers).

Der Weg in die Kapelle führt über den Hauptweg des Friedhofs, der parallel zur Kirche verläuft, zu einer überdachten Nische in der bestehenden Friedhofsmauer. Dort befindet sich der Haupteingang.

In dem hohen, quadratischen Eingangsraum wird der Weg in die Kapelle durch eine ausdrucksstarke Holzstatue, die in einer Nische steht, aufgefangen und im rechten Winkel umgelenkt. Diese Figur ist ein Werk des Bildhauers Ignaz Gabloner und stellt den Erzengel Michael als Wächter dieser Schwelle dar.

In diesen Vorraum mündet von der linken Seite auch der Nebeneingang, der hinter einer Schiebetür verborgen ist. Ein enger und niedriger Gang ohne Tageslicht führt bergseitig in den eigentlichen Kapellenraum. Von diesem Gang sind auch die Nebenräume zugänglich, die WC-Anlage, ein Abstellraum und über eine Treppe das Ossarium im Keller.

Obwohl vollständig unterirdisch gelegen, ist der eigentliche Kapellenraum ein heller, lichtdurchfluteter Raum. Er weist einen rechteckigen Grundriss mit einer Fläche von 60 m2 auf und vermittelt dadurch, dass die Seiten und Höhe im gleichen Verhältnis zueinander stehen, einen ausgewogenen Raumeindruck. Andererseits verleiht ihm die darüber verlaufende Rampe, die den Kapellenraum an seiner linken Seite keilförmig anschneidet, eine gewisse Dynamik. Der Raum wird über zwei Schlitze in der Decke und durch die große Glaswand am Raumende mit Tageslicht erhellt, welches eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugt, die zum Verweilen und zur Einkehr einlädt. Die künstliche Beleuchtung ist ebenso angeordnet wie das natürliche Licht.
Die Kapelle ist mit schlicht gestalteten Einrichtungsgegenständen und Zubehör für die Aufbahrung, ausgeführt in Eichenholz und Edelstahl, ausgestattet. Der Gedanke des Durchschreitens der verschiedenen Schwellen und Übergänge, welche dem gesamten Bau zu Grunde liegt, wird in der Gestaltung des Kapellenraums nochmals aufgenommen und verdichtet, und zwar baulich und besonders in der Kunst. Ein Portal und anschließend ein Becken mit fließendem Wasser – bodenbündig eingebaut – leiten hin zur mit Bruchglasstücken gefüllten Glaswand. Am Ende des Weges und der Kapelle thematisiert das durch die Glaswand materialisierte Licht den Gedanken an die Auferstehung.

Die äußere Form und die Anordnung der Baumassen spiegeln die Ausformung der Räume im Inneren wider. Der Eingangsraum ist mit einem markanten Steildach in Kupferblech, das sich seitlich auch über den Nebeneingang zieht, gedeckt. Es verlängert durch seine geometrische Form die Achse des Hauptweges des Friedhofs und bindet sie in das Gebäude ein. Während die Nebenräume als begehbare Terrasse ausgeführt sind und somit außen nicht als eigener Baukörper ablesbar sind, tritt der Kapellenraum in Form eines steinverkleideten Quaders hervor. Darauf ruht das Glasprisma der Laterne, die einerseits das Tageslicht hinter die Glaswand und durch diese in den Kapellenraum strömen lässt, andererseits selbst als Laterne des Lichtes von innen in die Nacht hinausleuchtet.

Bereits in einem frühen Stadium der Planung an der Auferstehungskapelle wurde mit dem Künstler Armin Guerino Kontakt aufgenommen, um ihn in die Planung einzubeziehen. In gemeinsamer Arbeit entstand ein Konzept zur Gestaltung des Kapellenraumes, welches schließlich zur erhofften und nun sichtbaren Einheit von Architektur und künstlerischer Gestaltungsarbeit führte. Auf die Ausführungen des Künstlers Armin Guerino in einem eigenen Beitrag die künstlerische Gestaltung betreffend sei an dieser Stelle verwiesen.

Abschließend möchte ich mich als verantwortlicher Planer und Bauleiter bei allen in irgendwelcher Form am Bau Beteiligten für die Zusammenarbeit, die Hilfe, die Anregungen und das für die Sache aufgebrachte Verständnis recht herzlich bedanken.

Sexten, im Dezember 2002