ARMIN GUERINO
VON POESIE UND DAUER
von Gabriele Ruff
Ortswechsel, Aufenthalte in Paris und Kairo, die Geburt seiner Tochter und die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Disziplinen,
fordern nachhaltige Auseinandersetzung und stehen in Korrelation zu Armin Guerinos Bildern und Objekten. Nach einem anfänglich parallel
verlaufenden Studium der Physik und der Ausbildung zum Grafiker, mit einem Meisterklassenabschluß bei Prof. Maximilian Melcher an der Akademie
für bildende Künste in Wien, bleiben seine Arbeiten dennoch der Malerei verpflichtet. Die Zeichnung ist immer wieder wesentlicher Bestandteil der
inhaltlichen Formulierung und in der letzten Werkperiode stark in den Vordergrund gerückt.
Über Jahre charakterisiert die Arbeiten von Armin Guerino ein thematisch nachhaltiger Wesenszug. Ein halbjähriger Ägyptenaufenthalt und weitere
Reisen in dieses Land waren Auslöser für das intensive Eintauchen in die Alt-Ägyptische Kunst, Kultur, Religion und Philosophie. Die geografischen
Eigenheiten, wie das Aufeinanderprallen von Fruchtland auf Wüste und der ein ganzes Land durchziehende Strom, sind zu topografischen Manifestationen
in seinen Arbeiten geworden. Der Bezug zu diesem Land ist wie in den Arbeiten der Jahre davor unverkennbar. Die Rezeption ist keine bloße Geste:
Armin Guerino geht es nicht um symbolische Mystifizierung per se, auch nicht um historische Geborgenheit oder kultische Ritualisierung.
Vielmehr basieren seine Arbeiten auf individuellen, existentiellen Grunderfahrungen, wie der Auseinandersetzung mit der Religion, dem Dasein und dem
Zyklus von Leben und Tod.
An den Arbeiten lassen sich folgende Entwicklungen ablesen, einerseits die Reduktion auf streng geometrische Formen, dem Zusammentreffen von exakten
Linien und Farbmassen. Die Themen dieses Werkabschnitts beziehen sich meist auf die Ritualisierung des Todes, die letzte Ruhestätte, das
Pharaonengrab, die Pyramide, wobei nicht die ursprüngliche Funktion zum zwingenden Thema wird, sondern die Abstraktion von Elementarformen,
Architektur und Landschaft. Zum anderen beginnt die Figur, der Körper und im speziellen der Kopf im Bild präsent zu werden. Die strenge Achsialität
löst sich auf, die Fokussierung der Bildmitte ist nicht mehr bestimmend. Die Beschäftigung mit dem strengen Bildaufbau der reliefierten ägyptischen
Grabwände, die einer festgelegten Registereinteilung und einem Proportionskanon zu folgen hatten, fließt in seine Arbeit ein.
Das Unterteilen in Sequenzen, das Erzählen in Bildabfolgen, ein formales Mittel, wie in den früheren Arbeiten, beispielsweise in den Fresken der
Totenkapelle von St. Michael ob der Gurk verwendet, wird im gegenwärtigen Bilderzyklus wieder aufgegriffen. Es kommt zu einer Umwandlung des streng
Kultischen. Mythologische und religiöse Wesen, über Zeiten einer Statik verhaftet, lösen sich aus ihrer starren Ruhelage. Anubis geht aus steht für
ein Beispiel eines aufgelockerten und ironischen Umgangs mit der inkarnierten Geschichte. Die Erzählung wird kürzelhaft und frei formuliert.
Bildwelten lassen sich teils im Sinne von Schriftzeichen oder Stenogrammen lesen, teils lassen sie Verwandtschaft im Erzählduktus zum Comic Strip
erkennen.
Die Arbeiten von Armin Guerino bauen auf eine für ihn typische Bildgrammatik auf. Ausgangspunkt ist der Bildort, der abstrakte Raum und die
Landschaft. Die Malerei bildet das Terrain für die Bilder, die Zeichnung markiert das Geschehen. Sie ist somit nicht nur Vermittlerin, sondern formt
die Struktur des bildnerischen und poetischen Vorgehens. Die Landschaftsbeschreibung erfährt eine Abstraktion, sie wird zum einen zur methodischen
Erinnerung, zum anderen weist sie Deutungs- und Sehnsuchtsmodelle auf, in denen die Realität verklärt und verborgen bleibt. Das Herausbilden von
Horizont wird ein zusätzliches Thema. Der Horizont als eine Art Demarkationslinie für ein unbekanntes zeitliches und räumliches Geschehen. Auch die
Vorstellung von Ewigkeit ist an den Zeitbegriff, an das Überdauern, gekoppelt.
Die Raumformulierung ist stark an die Fläche gebunden. Farbflächen werden neben- und übereinander gesetzt. Armin Guerino greift ein altes Bildmittel
auf Raum durch Staffelung darzustellen. Die Perspektive wird großteils ausgespart, der Schatten negiert. Selten kommt es zu Überschneidungen,
die Räumlichkeit erzeugen. Durch das Vermeiden der perspektivischen Darstellung und das oftmals konsequente Heranrücken an den unteren Bildrand
drängt die Einzelform stärker an den Betrachter. Sie monumentalisiert das Prinzip des Statischen und Dauerhaften. Die Formensprache ist nicht
willkürlich, sondern Teil des ursächlichen Bildkosmos des Künstlers, der mit einer Art Aufzeichnungssystem operiert. Die Formen in ihrer gestischen
und sensuellen Kraft folgen einer freien Assoziation und einer eigenen Vision des kollektiven Formbewußtseins.
Das Monument steht exemplarisch für die Erweiterung der Bild im Bild Thematik. Die in seinen Arbeiten immer wiederkehrenden rahmenden oder
begleitenden Farbfelder, die vormals Raum beschrieben und Raum erzeugten, werden jetzt mit eigenständigen Inhalten besetzt, bleiben aber
trotzdem Teil der Gesamtkomposition. Das Monument greift auf einen geometrischen Bildaufbau zurück. Nicht klar definierte Bildebenen und
Raumabfolgen lösen Irritation aus. Die Flächigkeit des Vordergrundes schließt die Stirnseite des Monuments mit ein. Das Monument wird zu einem
Schaukasten, zu einer Art Monitor, der den Blick auf eine Geschichte in einen gänzlich differierten Zeitkontext lenkt. Mit Hilfe der Perspektive
wird ein passierbarer Korridor, ein Schwellenbereich erzeugt, der dem Betrachter einen Weg offen legt vom Draußen in das Drinnen, in das Im-Bild-sein
zu gehen. Armin Guerino ist ein Künstler, der Polaritäten sucht: Leben/Tod, Hitze/Kälte, Fläche/Raum, Unmittelbarkeit/Dauer, Erlösung/Erkenntnis
oder Ordnung/Chaos.