Texte
ARMIN GUERINO - VON POESIE UND DAUER, von Gabriele Ruff
ARMIN GUERINO - EINSCHREIBUNGEN, von Armin Guerino
ÜBER ARMIN GUERINO, von Winfried Wessely
GESPRÄCH ÜBER DAS SCHWEIGEN, von Gabriele Ruff
TORBILDER ZUM GOTTESACKER, von Univ.Prof.Dr.Karl Matthäus Woschitz
DIE BEWEGTE HAND, von Mag. Hermann Josef Repplinger

ARMIN GUERINO
VON POESIE UND DAUER
von Gabriele Ruff

Ortswechsel, Aufenthalte in Paris und Kairo, die Geburt seiner Tochter und die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Disziplinen, fordern nachhaltige Auseinandersetzung und stehen in Korrelation zu Armin Guerinos Bildern und Objekten. Nach einem anfänglich parallel verlaufenden Studium der Physik und der Ausbildung zum Grafiker, mit einem Meisterklassenabschluß bei Prof. Maximilian Melcher an der Akademie für bildende Künste in Wien, bleiben seine Arbeiten dennoch der Malerei verpflichtet. Die Zeichnung ist immer wieder wesentlicher Bestandteil der inhaltlichen Formulierung und in der letzten Werkperiode stark in den Vordergrund gerückt.
Über Jahre charakterisiert die Arbeiten von Armin Guerino ein thematisch nachhaltiger Wesenszug. Ein halbjähriger Ägyptenaufenthalt und weitere Reisen in dieses Land waren Auslöser für das intensive Eintauchen in die Alt-Ägyptische Kunst, Kultur, Religion und Philosophie. Die geografischen Eigenheiten, wie das Aufeinanderprallen von Fruchtland auf Wüste und der ein ganzes Land durchziehende Strom, sind zu topografischen Manifestationen in seinen Arbeiten geworden. Der Bezug zu diesem Land ist wie in den Arbeiten der Jahre davor unverkennbar. Die Rezeption ist keine bloße Geste: Armin Guerino geht es nicht um symbolische Mystifizierung per se, auch nicht um historische Geborgenheit oder kultische Ritualisierung. Vielmehr basieren seine Arbeiten auf individuellen, existentiellen Grunderfahrungen, wie der Auseinandersetzung mit der Religion, dem Dasein und dem Zyklus von Leben und Tod.
An den Arbeiten lassen sich folgende Entwicklungen ablesen, einerseits die Reduktion auf streng geometrische Formen, dem Zusammentreffen von exakten Linien und Farbmassen. Die Themen dieses Werkabschnitts beziehen sich meist auf die Ritualisierung des Todes, die letzte Ruhestätte, das Pharaonengrab, die Pyramide, wobei nicht die ursprüngliche Funktion zum zwingenden Thema wird, sondern die Abstraktion von Elementarformen, Architektur und Landschaft. Zum anderen beginnt die Figur, der Körper und im speziellen der Kopf im Bild präsent zu werden. Die strenge Achsialität löst sich auf, die Fokussierung der Bildmitte ist nicht mehr bestimmend. Die Beschäftigung mit dem strengen Bildaufbau der reliefierten ägyptischen Grabwände, die einer festgelegten Registereinteilung und einem Proportionskanon zu folgen hatten, fließt in seine Arbeit ein.
Das Unterteilen in Sequenzen, das Erzählen in Bildabfolgen, ein formales Mittel, wie in den früheren Arbeiten, beispielsweise in den Fresken der Totenkapelle von St. Michael ob der Gurk verwendet, wird im gegenwärtigen Bilderzyklus wieder aufgegriffen. Es kommt zu einer Umwandlung des streng Kultischen. Mythologische und religiöse Wesen, über Zeiten einer Statik verhaftet, lösen sich aus ihrer starren Ruhelage. Anubis geht aus steht für ein Beispiel eines aufgelockerten und ironischen Umgangs mit der inkarnierten Geschichte. Die Erzählung wird kürzelhaft und frei formuliert. Bildwelten lassen sich teils im Sinne von Schriftzeichen oder Stenogrammen lesen, teils lassen sie Verwandtschaft im Erzählduktus zum Comic Strip erkennen.
Die Arbeiten von Armin Guerino bauen auf eine für ihn typische Bildgrammatik auf. Ausgangspunkt ist der Bildort, der abstrakte Raum und die Landschaft. Die Malerei bildet das Terrain für die Bilder, die Zeichnung markiert das Geschehen. Sie ist somit nicht nur Vermittlerin, sondern formt die Struktur des bildnerischen und poetischen Vorgehens. Die Landschaftsbeschreibung erfährt eine Abstraktion, sie wird zum einen zur methodischen Erinnerung, zum anderen weist sie Deutungs- und Sehnsuchtsmodelle auf, in denen die Realität verklärt und verborgen bleibt. Das Herausbilden von Horizont wird ein zusätzliches Thema. Der Horizont als eine Art Demarkationslinie für ein unbekanntes zeitliches und räumliches Geschehen. Auch die Vorstellung von Ewigkeit ist an den Zeitbegriff, an das Überdauern, gekoppelt.
Die Raumformulierung ist stark an die Fläche gebunden. Farbflächen werden neben- und übereinander gesetzt. Armin Guerino greift ein altes Bildmittel auf Raum durch Staffelung darzustellen. Die Perspektive wird großteils ausgespart, der Schatten negiert. Selten kommt es zu Überschneidungen, die Räumlichkeit erzeugen. Durch das Vermeiden der perspektivischen Darstellung und das oftmals konsequente Heranrücken an den unteren Bildrand drängt die Einzelform stärker an den Betrachter. Sie monumentalisiert das Prinzip des Statischen und Dauerhaften. Die Formensprache ist nicht willkürlich, sondern Teil des ursächlichen Bildkosmos des Künstlers, der mit einer Art Aufzeichnungssystem operiert. Die Formen in ihrer gestischen und sensuellen Kraft folgen einer freien Assoziation und einer eigenen Vision des kollektiven Formbewußtseins.
Das Monument steht exemplarisch für die Erweiterung der Bild im Bild Thematik. Die in seinen Arbeiten immer wiederkehrenden rahmenden oder begleitenden Farbfelder, die vormals Raum beschrieben und Raum erzeugten, werden jetzt mit eigenständigen Inhalten besetzt, bleiben aber trotzdem Teil der Gesamtkomposition. Das Monument greift auf einen geometrischen Bildaufbau zurück. Nicht klar definierte Bildebenen und Raumabfolgen lösen Irritation aus. Die Flächigkeit des Vordergrundes schließt die Stirnseite des Monuments mit ein. Das Monument wird zu einem Schaukasten, zu einer Art Monitor, der den Blick auf eine Geschichte in einen gänzlich differierten Zeitkontext lenkt. Mit Hilfe der Perspektive wird ein passierbarer Korridor, ein Schwellenbereich erzeugt, der dem Betrachter einen Weg offen legt vom Draußen in das Drinnen, in das Im-Bild-sein zu gehen. Armin Guerino ist ein Künstler, der Polaritäten sucht: Leben/Tod, Hitze/Kälte, Fläche/Raum, Unmittelbarkeit/Dauer, Erlösung/Erkenntnis oder Ordnung/Chaos.