1991 · Totenkapelle

Totenkapelle St. Michael ob der Gurk
46°40’51.8″N 14°30’11.2″E

Die Friedhofsanlage in St. Michael ob der Gurk wurde als eigenständige Erweiterung des bestehenden Friedhofes neu angelegt. Am Fuß des Kirchhügels, auf dem die gotische Kirche mit der alten Friedhofumfassungsmauer steht, wurde zunächst von Architekt Freytag die Umfriedung konzipiert, im Weiterbau hat Armin Guerino eine Eingangssituation geschaffen, die von ihm sowohl architektonisch als auch malerisch gestaltet wurde. Das Kreuz und den Brunnen fügte Tomas Hoke ein.

Der neue Friedhof bekam ein kapellenartiges Gebäude als Eingang, das innen mit Fresken ausgestaltet wurde. Der Kubus mit einem pyramidenförmigen Dach hat nördlich und südlich einen Durchgangsschlitz der gleichzeitig die Achse zur Kirche beschreibt. Innerhalb der Anlage ergibt sich dadurch eine streng symmetrische Situation, die einer Kreuzform folgend thematisch gegliedert ist: Die Achse Nord – Süd wird begrenzt durch Friedhofskreuz und Friedhofsbrunnen, die Achse Ost – West durch die Freskenthemen Apokalypse und Genesis.

Armin Guerino: GESTALTUNG KAPELLE
Die Grundlagen zu den Fresken bilden die zwei Klammern der Bibel: Genesis und Apokalypse. Aus diesen Themen wurde zunächst die Architektur entwickelt und dann die thematische Gliederung der Fresken.

Bau: Ziegelbau mit Kalkmörtel verputzt; Holzdachstuhl gedeckt mit Zinkblech.

Ikonographie:
Das Gebäude mit den schmalen Durchgangsschlitzen im Norden und Süden ist ein Kubus und als solcher eine Entsprechung zum himmlischen Jerusalem (Offenbarung des Johannes).
Das pyramidale Dach entspricht in seinen Winkeln den Pyramiden von Gizeh/Ägypten.

Fresken
Ostwand: Genesis
Linke Wange: Tor zum Paradies
Hauptwand: Garten Eden.
Siebenstufige Leiter mit den vier Paradiesströmen Gihon, Pischon, Euphrat und Tigris (einer der Flüsse speist die Erde), Baum der Erkenntnis mit runder Erkenntnisstruktur (Hirnwindungen), zwei Bäume und ein Schatten, Wand und Schlange im Zentrum, davor Adam und Eva stehend (Eva grün mit roten Lippen und Adam im komplementären Rot mit grünen Lippen) beide sind von einer gemeinsamen Aura umgeben, die sich an der rechten Hand der Eva (Schnittpunkt Schlange) ablöst und an dieser Stelle das Spiegelbild des Baumes der Erkenntnis annimmt.
Rechte Wange: In einem Turm eingemauert der Baum des Lebens, zwölf Hände bilden die Äste die die Äpfel tragen.

Westwand: Apokalypse
Rechte Wange: Brunnen des Abgrundes
Hauptwand: Siebenstufige Leiter mit dem Blut des Lammes, die sieben Sterne der Apokalypse, Baum der Erkenntnis mit kristalliner Gehirnstruktur, darunter Christus liegend – Erde und Kosmos verbindend. Rechts davon Wasserfeld, darüber die Sonne mit den Tränen (Blut, Feuer) die durch den Baum der Erkenntnis (gehirnstrukturiert)nach unten fallen. Oben die Sonne, eine Verletzung, links davon Waage, Sanduhr und das von Erkenntnis durchsetzte Herz. Darunter Feld mit Hirnwindungen, links davon Wasser und der Anthropos. Zeichen der Trinität (3-teiliger Baum, 1teiliger Baum[3=1]), die Arche Noah mit Zeichen für die Geschlechter Noahs.
Linke Wange: Himmlisches Jerusalem (von innen erleuchteter Kubus mit je drei Toren an jeder Seite; zweites Paradies).

Der Einsatz von Symbolen und Farben folgt der bildhaften Sprache der Bibel; sie sind auch als solche zu lesen, wurden aber dahingehend verwendet, daß die Zusammenhänge von Genesis und Apokalypse als wesensverwandte Positionen sichtbar werden.
Beispiel: Der BAUM in der Genesis und der Baum in der Apokalypse.


Tomas Hoke
Kreuz und Brunnen

Die Nord-Südachse bildet Kreuz und Brunnen. “Der Weg vom ersten Paradies in das zweite Paradies führt über das Kreuz” stellt Bischof Dr. Egon Kapellari bei der Einweihung der Friedhofsanlage kommentierend fest.
Das doppelstämmige Kreuz ist aus Lärchenholz, die Kreuzverbindung aus rostendem Eisen. Den Kopf des Kreuzes bilden zwei Scheiben – die dem Friedhof zugekehrte ist aus Bronze – die dem Friedhof abgewandte aus nichtrostendem Edelstahl. Das Kreuz weist vom Dunklen ins Helle, ist somit ein Zeichen der Transzendenz und Hinweis auf das Heil. Am nördlichen Ende der Achse als Entsprechung zum Kreuz ist der Brunnen (rituelle Reinigung), aus Edelstahl und Bronze, in die Befestigungssteinwand eingeschnitten.
Somit bildet die Friedhofsanlage eine Einheit die vom Brunnen über den Eintritt ins Totenreich (Kapelle) zum Gottesacker und Kreuz führt.

Zur Baugeschichte
Dechant Leopold Silan nahm im Sommer 1990 mit Armin Guerino und Tomas Hoke die Verbindung auf um eine künstlerische Gestaltung des Friedhofes in St. Michael anzuregen. Im November 1990 ging Armin Guerino nach Ägypten und begann dort mit den Entwurfsarbeiten. Nach seiner Rückkehr im Mai 1991 begannen die Bauarbeiten die von Dechant Silan geleitet wurden. Als Mentor des Projektes entwickelte er ein sehr intensives Gespräch, das begleitend und kommentierend die Gestaltung der Anlage vorantrieb. Die sich entwickelnde konsequente und klare Haltung brachte ideale Bedingungen für eine offene künstlerische Auseinandersetzung. Disskusionen wurden heftig und leidenschaftlich geführt; die Bevölkerung wurde von anfang an mit den Arbeiten konfrontiert, und nicht selten zur freiwilligen Mithilfe am Bau angeregt. Es entstand ein Klima heftiger Gegensätze, die Dechant Silan auch in seine Sonntagspredigten einbezog. Dies alles führte zu einer, bis dahin im Ort unbekannten Auseinandersetzung mit moderner Kunst.

Den Abschluß der Bauarbeiten bildeten das Aufrichten des Kreuzes und den Einbau des Brunnens, sowie die Pflasterung des Vorplatzes und die Bodengestaltung in der Kapelle. Die Einweihung erfolgte am 20. Oktober 1991 durch Bischof Egon Kapellari.